Na
ja, ganz so viele waren es nicht, genauer gesagt geht es sogar mehr
oder weniger nur um meine eigene.
Vor
kurzem, im Dezember 2005, habe ich mich im zarten Alter von sechzehn
Jahren in den Bewerbungs-Dschungel geworfen.
Es
ging um einen Platz an einem von zehn Colleges aus dem Verbund
„United World Colleges“, die über die ganze Welt verteilt sind
und eine hochgradige Ausbildung und Zusammenleben mit Menschen aus
aller Welt möglich machen. Keine schlechte Sache eigentlich, aber
selbstverständlich zu einem entsprechenden Preis.
Nach
wochenlangem angestrengten Warten, mehreren
Beinahe-Nervenzusammenbrüchen und einigen sehr beunruhigenden
Träumen, kam Mitte Januar die lang ersehnte Antwort: eine Einladung
zur Endauswahl, mehrtägig und in Bad Homburg (nahe Frankfurt am
Main).
Sofort
danach gingen die Vorbereitungen los. Referat schreiben,
Testtraining, Informationsbücher über Assessment-Center-Auswahlen
lesen und und und.
Assessment
Center sind testgesteuerte Auswahlverfahren, die Einzelgespräche,
Vorträge, Gruppendiskussionen, Gemeinschaftsaufgaben, improvisierte
Rollenspiele, Reaktionstests, Allgemeinwissens-Tests und
psychologische Gespräche enthalten können. Das stand mir also
innerhalb von drei Tagen Bad Homburg (übrigens alles außer Anreise
bezahlt) bevor. Na gut, auf in den Kampf!
Hier
ein Überblick über die Tortur, die ich dann tatsächlich über mich
hab ergehen lassen: Vortest 3,5 Stunden (Diktat, Aufsatz,
Rechenübungen). Am ersten richtigen Testtag (8.30 bis 16.00 Uhr plus
eine Aufgabe nach dem Abendessen, eine Frühstücks- und eine
Mittagspause) ein Lückendiktat (Groß- und Kleinschreibung,
Fremdwörter), Konzentrationsaufgaben (Postaufgabe, Zahlen
herausschreiben, zwei Texte vergleichen und Fehler finden),
Allgemeinwissen (je 20 Fragen zu Staat, Politik, Geschichte,
Erdkunde, berühmte Persönlichkeiten, Wirtschaft, Literatur) und
alle anderen Aufgaben, die noch so im Handbuch der Foltermeister vom
Dienst stehen.
Zeitangaben
gab es nicht, so konnten wir uns wenigstens nicht beklagen, wir
hätten eventuell zu wenig Druck…
Zweiter
(mündlicher) Teststag, Pausen wie gehabt, aber diesmal verbringt man
den größten Teil der Zeit mit warten. Für noch ein bisschen
zusätzlichen Druck. Im Laufe des Tages wird nur einmal geschrieben,
und zwar der Lebenslauf (30 Minuten Zeit). Ansonsten habe ich mich
eine Stunde in einer Gruppendiskussion als Leiterin oder beim
Vortragen der Zusammenfassung von drei Themen abquälen müssen:
Zitat vom ehemaligen Herrn Bundeskanzler: „Haustiere werden in
Deutschland besser behandelt als Kinder“, die Rechtschreibreform
und, selbst gewählt, Graffiti als Kunstform und als krimineller
Tatbestand.
Dann
habe ich ein 20minütiges Einzelgespräch mit einer Psychologin
durchgehalten (Lebenslauf wiedergeben, aktuelles Tagesgeschehen,
Fragen nach der eben geführten Gruppendiskussion, Verantwortung,
allgemeine Lebensziele, Werte und schließlich noch prägende
Erfahrungen) und 45 Minuten ein Gespräch mit einem Mitglied der
Stiftung der Colleges geführt, in dem die ganze Tortur nochmal
aufkam. Warum, weiß ich auch nicht.
Alles
in allem recht ungemütlich, denn wir wurden von vorne bis hinten
über unsere Einstellungen und Charaktereigenschaften ausgequetscht,
erfuhren aber über das College eigentlich kaum etwas.
Die
Leute empfand ich als zum größten Teil sogar noch unangenehmer als
die eigentlichen Tests. Von 500 Bewerbern waren hier noch etwa 70
anwesend, von denen die Hälfte, selbstverständlich alle in etwa so
alt wie ich, in Anzug und Krawatte kamen. Ähm, Jugend und
Fröhlichkeit und so? Keine Spur. Selbst die Pausen waren von
betretenem Schweigen und verzweifeltem Runterbeten des vorbereiteten
Referats geprägt.
Selbst
wenn man sie dann endlich mal zu einem persönlicheren Gespräch
hingerissen hatte wurde die Atmosphäre nicht unbedingt besser. Die
eine Hälfte stellte sich als die Sorte „Meine Eltern waren letzte
Woche auf Bali, aber ich wollte nicht mit. Da war ich ja schon so
oft“ heraus, während der andere Teil fortwährend versuchte, einen
im Gespräch auszustechen.
Nach
einer Stunde Spießroutenlauf von einem Katastrophen-Gespräch zum
nächsten, flüchte ich mich vor die Tür um mir eine Zigarette
anzustecken und treffe nach 1 ½ Tagen den ersten vernünftigen
Menschen, mit dem man ein Gespräch führen kann, ohne, dass es um
Schulnoten oder den letzten Karibikurlaub geht. Prompt wird
beschlossen, den Abend irgendwo zusammen was trinken zu gehen und
aus der Jugendherbergen-Umgebung herauszukommen.
Im
Nachhinein waren die zwei Abende, die wir in der bescheidenen
Gesellschaft von fünf annehmbaren Menschen aus siebzig, zugebracht
haben, das Beste an dem ganzen Wochenende.
Auf
dem Heimflug kündigen sich dann die ersten Folgen des „Trips to
hell“ an, als das sich diese Art der Bewerbungs-Auswahl
herausgestellt hat: Ich niese mitten in mein Flugzeug-Mittagessen
hinein und kriege gleich darauf einen Hustenanfall. Als der Flieger
endlich in Berlin landet habe ich Fieber und werde die komplette
nächste Woche im Bett verbringen.
Assessment
Center sind also erfahrungsgemäß äußerst gesundheitsgefährdend,
aber ich werde es wohl im Zweifelsfall noch mal machen müssen.
Eine
Woche später kam übrigens die Absage. War ihnen wohl nicht reich
genug.
tjaja, in der jugend macht man noch "so sachen", die man später wohl als "fehler" bezeichnen würde. oder? "aber ich werde es wohl im Zweifelsfall noch mal machen müssen." ist ja wohl nicht dein ernst?
AntwortenLöschenwo gibt's denn das heft, liegt's im cafe aus?
gruss k.