Montag, 7. Oktober 2013

Das sind keine Kiwibäume

Es fing alles damit an, dass ich den alten Garten meiner Großeltern wieder fit machte.
Ich hatte das Grundstück nachdem beide gestorben waren übernommen und schwelgte während ich Laub harkte in Kindheitserinnerungen.
Alles war sehr verwildert, die Beete von früher waren so gut wie gar nicht mehr zu erkennen und die Blautannen, die mein Großvater vor Jahrzehnten gepflanzt hatte hatten unmögliche Ausmaße angenommen. Wenn man sie jedoch richtig beschneiden würde, konnte man sie zu einem schönen schattigen Dach verwandeln.
Die alten Holzfässer, die früher als Sitzgelegenheit beim Grillen dienten standen eingesunken und halb vermodert herum und die Eisenringe fielen ab.
Ich hatte nicht viel Zeit, da ich die nächsten Wochen häufiger auf Reisen war.
So konnte mich in erster Linie nur auf das frei harken von den großen Flächen konzentrieren ohne wirklich mit dem Umgraben und Pflanzen zu beginnen.
Hier und da stieß ich auf eine alte halb verrottete Plastikplane oder auf irgendwelche verrostete Metallstangen die vor ewigen Zeiten mal als Begrenzung für die Beete dienten.
Ich fand sogar das alte Planschbecken verstaut hinter einem Baum in dem wir als Kinder früher immer gespielt hatten.
Etwas schwermütig verstaute ich schließlich die Geräte und machte mich nach einem langen Blick über das Gelände auf den Weg zum Flughafen um meinen wohlverdienten Urlaub anzutreten.
Als ich nach einer Woche zurückkehrte erlebte ich eine Überraschung.
Über einem Streifen der Wiese die ich frei geharkt hatte standen kerzengerade Mannshohe Säulen artige Bäume.
Sie waren stechend grün, mit einem leichten Flaum, mit kleinen Knospen versehen und bereits mannshoch.
Sie ähnelten entfernt der Kiwi, doch konnte ich mich nicht daran erinnern, dass meine Großeltern jemals Kiwis in ihrem Garten hatten.
Ohne wirklich zu helfen starrte mich der lose Kopf einer alten Puppe von meiner Schwester aus dem mittlerweile nachgewachsenen Gras an.
Ich ließ die neuen Pflanzen Pflanzen sein und konzentrierte mich darauf die Beete anzulegen. Vielleicht kam bei den unbekannten Dingern ja was nützliches heraus.
Beim Umgraben fand ich allerhand was mich entweder schmunzeln oder grübeln ließ.
So war die Kombination von einem halb verrotteten Kondom und einem Goldkettchen schon verwunderlich.
In den kommenden Wochen nahm der Garten mehr und mehr an Gestalt an.
Besonders widerspenstig zeigte sich die mittlerweile verwilderte Brombeere mit ihren hartnäckigen Dornen die sich überall breitgemacht hatte.
Hinzu kamen die Knallerbsensträucher die kein Ende zu nehmen schienen.
Die neuen unbekannten Pflanzen spielten in meiner Wahrnehmung nur am Rande eine Rolle.
Sie breiteten sich nicht weiter aus, sondern standen wie zu Beginn in Reihe und Glied in dem von ihnen besetzten Streifen des Gartens und bildeten so einen angenehmen Raumteiler.
Mit den Wochen entfalteten sie über ihren Knospen große runde Blätter die nicht schlecht aussahen und die selbe satte grüne Farbe wie die Stämme hatten. Die Knospen schwollen mehr und mehr zu einer eckigen länglichen Form an.
Nach und nach nahm das Ganze schließlich Form an.
Durch die Beete und eine kleine Feuerstelle konnte man sich richtig heimisch fühlen. Umrahmt wurden die großen Rasenflächen von Obstbäumen und Beerensträuchern.
Genüsslich kostete ich die sich in mir ausbreitende Nostalgie aus, die sich mit einem kindlichen Stolz mischte.
Irgendwo spürte ich meine Großeltern anerkennend über die Arbeit ihres Enkels lächeln.
Um das Ganze nicht zu spießig aussehen zu lassen hatte ich aus meinen Fundstücken eine kleine Statue errichtet. Auf das halb verrottete Kondom verzichtete ich bei de Gestaltung aus offensichtlichen Gründen.
Nach langen Wochen ausgiebiger Arbeit, die ich auch in meinen Knochen spürte und meine Haut hat bräunen lassen begab ich mich auf eine Geschäftsreise, die knapp eine Woche dauerte.
Als ich schließlich wieder kam war der Garten so gut wie unverändert, nur hier und dort bäumte sich die Brombeere verzweifelt aus dem Gras zu einem letzten Kampf.
Die Säulen standen immer noch da mit ihren breiten Blättern.
Nur die Knospen waren nicht mehr zu erkennen. Dafür lagen nun locker kreisförmig verteilt Mauersteine.
Das störte mich anfangs wenig, ich sammelte die Steine einfach auf und stapelte sie auf einen Berg zusammen, was mich jedoch beunruhigte, war die Tatsache, dass sie größer wurden und sich von Zeit zu Zeit ganz klar bewegten. Sie schienen sich von einander weg zu bewegen und erst still zu liegen wenn sie einen bestimmten Abstand erreicht hatten.
Hinzu kam, dass sie in einem kaum merklichen Tempo größer wurden.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch entschied ich mich dazu diese Sache zu ignorieren.
Vielleicht spielten mir meine Nerven einen Streich.
Wahrscheinlich hatte ich wegen der vielen Arbeit und meiner ausgiebigen Zeit an der Sonne einfach eine kleine Macke bekommen.
Da kam es mir ganz gut gelegen, dass mein nächster Urlaub anstand und ich mich in der Sonne Maltas erholen konnte.
Als ich wieder kam waren aus den noch recht handlichen Mauersteinen riesige klobige Baumscheiben geworden.
Ich nahm diese Veränderung trocken zur Kenntnis und weigerte mich den nächsten Monat den Garten zu betreten.
Ich hätte wahrscheinlich noch länger ausgehalten, hätte mich nicht der Besitzer eines benachbarten Gartens angerufen um mich zu fragen ob ich ihm nicht eines der Sofas verkaufen würde, die in meinem Garten ungeschützt herumstanden.
Gleichmütig und auf alles gefasst begab ich mich zu dem Ort meiner Kindheit, der mir sonderbare Streiche spielte und sah mich tatsächlich einer Vielzahl von Sofas in allen Formen und Farben konfrontiert.
Jede Spur von irgendwelchen Mauersteinen oder Baumscheiben war verschwunden.
Ohne groß nachzudenken verkaufte ich dem Nachbarn das Stück was er begehrte. Danach schaltete ich eine Anzeige um die restlichen loszuwerden.
Dabei kam ein hübsches kleines Sümmchen zusammen.
Alles in allem konnte ich mich nicht beschweren und nur hoffnungsvoll auf die nächste Ernte warten.


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Montag, 30. September 2013

Opa

Jedermann kennt ihn, diesen rasenden Kopfschmerz! Er ist die reinste Qual. Er tritt häufig in der Nähe von Bäumen auf.
Mein Opa, im übrigen sehr intelektuell, vertritt die meinung, dieser Schmerz entsteht durch eine stärkere Sauerstoffzufuchr zum Gehirn, die durch die verstärkte O2- Konzentration unter Sauerstoff produzierenden Bäumen entsteht.
Er, mein Opa Xenon, findet es reizvoll pedantisch Beweise für seine Theorie zu sammeln. Teilweise dämliche, banale Kleinigkeiten sind es, die er dann hinten bei den Notizen in seinem Terminplaner notiert.
Manchmal, wenn er nachdenklich dreinschaut, wirkt er ganz unheimlich, unheimlich einsam. Denn meine Oma starb vor drei Jahren.
Ach, und übrigens, vor genau zwei jahren fing Xenon an, seine erste nichtssagende Theorie über Kopfschmerz an Bäumen langsam zu entwerfen.
Mein Opa ist unglaublich, denn damit sein Hobby nicht zur Routine wird oder einem Ding mit dem er einfach die Zeit totschlägt, geht er hin und wieder tanzen, mit seiner Zwillingsschwester, Tante Victoria; oder trifft sich mit alten Freunden aus dem Xylophonclub.
Ist schon ein komischer Kauz mein Opa, aber was seine Theorie betrifft: hingebungsvoll. Als er einen Anhang schrieb zu Besserung der Kopfschmerzen durch Yoga, konnte er fünf Nächte nicht richtig schlafen und sah am Ende aus wie ein Waldschrat.
Er ist ein gemütlicher, friedlicher Mensch, der Wiedersprüche und andere Meinungen immer toleriert, denn ich persönlich habe eine ganz andere Meinung, aber in einer Sache wird er bei mir nie auf Wiederstand stoßen, dass nämlich seine Theorie, sobald er sie vervollkommnet hat, ewig bestehen wird.


Montag, 23. September 2013

Augenblicke

Ich schaue auf die Armbanduhr meines Nachbarn. 8.37. Die U-Bahn ist voll. Die beiden steigen zusammen ein. Sind sie Arbeitskollegen? Aber nein!. Sie trägt einen schweren grauen Mantel, einen roten Schal, der Lippenstift ist ein wenig zu rot, das Haar lang. Seins ist schon grau. Viel reden sie nicht auf der kurzen Reise durch den Untergrund. Sie liest die Berliner Zeitung, während ihn der Kulturteil des Tagesspiegels vollkommen in seinen Bann gezogen hat. Die Bahn hält. Menschen strömen hinaus in den kalten Januartag. Auch sie steht schnell auf um auszusteigen, streift den Mantel glatt. Sie sagt „Heute Abend beim Inder“ -oder war es „Ich liebe dich“ ? Sie küsst ihn nicht , sondern wuschelt dem Mann verspielt durch das Haar- mein Kleiner. Flüchtig nur sieht er auf. Nach einigem Zögern bleibt sie auf dem hektischen Bahnsteig stehen und wartet darauf, dass der Blick des Geliebten sie ein letztes Mal für den heutigen Morgen trifft. Er schlägt das linke Bein über das rechte und liest den Kulturteil des Tagesspiegels. 4 Sekunden verstreichen und ich beobachte sie eine Ewigkeit. Endlich dreht sie sich um und steigt langsam die Treppe hinauf. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen und lächle melancholisch- tief berührt von so viel Liebe und so viel Enttäuschung in einem Augenblick.  
Lisa